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Warum wir schmuddelige Geldscheine schneller ausgeben

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Ein Euro ist ein Euro – oder vielleicht doch nicht?

Denn wie eine kanadische Studie [1] jetzt herausgefunden hat. Beeinflußt der Zustand der Banknoten unser Verhalten beim Geldausgeben. Demnach werden schmutzige und zerknitterte Banknoten schneller ausgegeben als neue Geldscheine.

Der Ekelfaktor – Wir sind angewidert von benutzten Geldscheinen

Offenbar wollen viele Menschen die alten und benutzten Scheine schneller los werden, weil sie davon angeekelt sind. Man weiß schließlich nicht wer das Geld schon alles in den Händen hatte und wieviele Bakterien sich darauf befinden. Die druckfrischen Scheine dagegen dagegen erscheinen uns wertvoller. Während alte Banknoten bei uns also negative Emotionen auslösen (Ekel) bringen neue Banknoten positive Emotionen (Stolz) hervor.

So ganz ungerechtfertigt ist der Ekel vor schmuddeligen Banknoten nicht: Wissenschaftler konnten auf 13% der untersuchten Münzen und sogar auf 42% der untersuchten Geldscheine Fäkalbakterien nachweisen. [6]

Geld stinkt also doch!

U Can’t Touch This!

Das gleiche Prinzip wirkt auch bei Produkten. So messen Käufer einem Produkt das von anderen bereits berührt wurde einen geringeren Wert zu als dem unberührten Exemplar. Dabei müssen die Konsumenten nicht einmal sehen, wie das Produkt berührt wurde. Es reicht schon aus, wenn für sie selbst die Möglichkeit besteht das Produkt anzufassen. Ein Produkt in einem abgeschlossenen Schaukasten wird demnach tendenziell wertvoller eingeschätzt, als ein Produkt das offen herum liegt. Diese Produkte werden nicht nur als weniger wertvoll angesehen, sondern auch tatsächlich seltener gekauft.

Banknoten werden bei hoher Bakterienbelastung ersetzt

Der Hauptgrund für die Ersetzung von Banknoten ist die Bakterienpopulation: Während eine neue Banknote auf der absteigenden Skala einen Wert von 16 erreicht, werden alle Banknoten die 12 oder weniger erreichen vernichtet. (Hinweis: Absteigende Skala bedeutet hier, dass ein kleinerer Wert eine höhere Bakterienbelastung darstellt. Die Skala gilt für die Federal Reserve in den Vereinigten Staaten) [2]

Kleine Scheine zirkulieren schneller als große Banknoten

Die Zentralbanken, in den USA die Federal Reserve und bei uns die Europäische Zentralbank (EZB), sind dafür zuständig alte Geldscheine durch neue zu ersetzen. Etwa ein Drittel aller Banknoten die bei der Zentralbank eintreffen wird vernichtet und durch neues Geld ersetzt.

Da kleinere Banknoten öfter den Besitzer wechseln als große Scheine nutzen sie sich schneller ab. So hat eine 1-Dollar-Banknote eine durchschnittliche Zirkulationsdauer von 18 Monaten, wohingegen eine 100-Dollar-Banknote durchschnittlich 9 Jahre im Umlauf ist.

Kleine Banknoten werden schneller ausgegeben

Schon länger ist bekannt, dass Geld nicht gleich Geld ist. Denn Menschen geben einen Betrag in größeren Banknoten (zum Beispiel einen Zwanziger) weniger schnell aus als den gleichen Betrag in kleineren Banknoten (vier Fünfer). Große Banknoten werden also weitaus positiver bewertet und als “richtiges Geld” angesehen. Kleinere Geldeinheiten dagegen geringschätzig als “Wechselgeld”. [3]

Beim Gehalt ist ein hoher Zahlenwert wichtiger als die Kaufkraft

Studien zeigen auch, dass Menschen bei ihrem Gehalt mehr Wert auf einen hohen Betrag als auf die tatsächliche Kaufkraft legen. [4] So zeigt sich auch, dass Menschen den Preis von Produkten in einer Währung mit niedrigen Zahlenwerten (Euro) preiswerter empfinden, als den Preis in einer  Währung mit höheren Zahlenwerten (Schwedische Kronen) – obwohl der reale Preis genau gleich ist. [5]

Mit benutzten Geldscheinen wird öfter gezockt und mehr gekauft

Was Casinos wahrscheinlich längt wissen: Mit benutzten Geldscheinen wird häufiger gespielt. So waren in einer Studie mit 84 Testpersonen mit 80,1% wesentlich mehr Menschen bereit mit einer abgenutzten 10-Dollar-Banknote um eine neuen 20-Dollar-Schein zu spielen als anders herum. Nur 22,7% der Versuchspersonen waren bereit mit einem neuen 10-Dollar-Schein um einen alten 20-Dollar-Schein zu spielen. [1 - Study 1]

Das gleiche Verhalten zeigte sich beim Einkaufen: Versuchspersonen die vier neue 5-Dollar-Scheine erhielten gaben mit $4.59 deutlich mehr aus als Personen die einen neuen 20-Dollar-Schein erhielten ($ 3.68). Im Gegensatz dazu lagen die Ausgaben bei alten Scheinen deutlich höher: Testpersonen mit vier schmuddeligen 5-Dollar-Banknoten gaben durchschnittlich $13.35 aus und Menschen die einen schmuddeligen 20-Dollar-Schein erhielten gaben $8.35 aus.[1 - Study 2]

Damit zeigt sich auch hier, dass bei kleineren Scheinen deutlich mehr ausgegeben wird als bei großen Scheinen. Schließlich sind kleine Scheine praktisch und es fällt schwerer einen großen Geldschein anzubrechen. Das zeigte sich auch in einem weiteren Versuch, bei der die Versuchspersonen aufgefordert wurden einen Betrag bis zu maximal $8 zu bezahlen. 87% entschieden sich passend zu zahlen anstatt einen großen Schein zu benutzen. [1 - Study 3]

Um dieses Verhalten genauer zu untersuchen wurde den Probanden ein Portmonee mit einem 20-Dollar-Schein, einem 10-Dollar-Schein, einem 5-Dollar-Schein, Zwei 2-Dollar-Scheinen und einem 1-Dollar Schein überlassen um damit ein Produkt mit einem Preis von ungefähr $8 zu bezahlen. Alle Geldscheine waren neu, bis auf das eine der beiden Testgruppen einen schmuddeligen 10-Dollar-Schein erhielt. Tatsächlich war die Testgruppe mit dem schmuddeligen 10-Dollar-Schein eher bereit damit zu zahlen (28,6%) als die Vergleichsgruppe mit einem neuen Schein. (5,7%) [1 - Study 3]

Wir zahlen in der Öffentlichkeit lieber mit neuen Banknoten

Anders verhielten sich die Testpersonen wenn der Versuch unter öffentlicher Beobachtung durch andere Teilnehmer statt fand. So waren hier 23,3% bereit die neue 10-Dollar-Banknote zu benutzen, aber nur 3,3% wollten eine schmuddelige 10-Dollar-Banknote vor aller Augen ausgeben. [1 - Study 3]

Dieses Verhalten beruht laut den Professoren Fabrizio di Muro und Theodore J. Noseworthy auf zwei Faktoren: Erstens wurden schmuddelige Geldscheine schon öfter von anderen Menschen berührt und sind dadurch stärker kontaminiert. Zweitens wird in neuen Geldscheinen ein höherer Nutzen gesehen – obwohl man damit auch nicht mehr kaufen kann als mit einem abgenutzten Geldschein. Offenbar sind wir auf neue Geldscheine regelrecht Stolz und erhoffen uns davon eine höhere soziale Anerkennung wenn wir mit sauberen und glatten Geldscheinen bezahlen.

Wir sind Stolz auf neue Banknoten

Um den Faktor der Verunreinigung von schmuddeligen Banknoten auszublenden, wurden alle Teilnehmer vor der nächsten Testreihe darauf hingewiesen, dass alle Banknoten vor dem Versuch sterilisiert wurden und damit keimfrei sind. In der privaten Testumgebung gab es nun keinen Unterschied: 23,3% waren bereit den schmuddeligen 10-Dollar-Schein auszugeben, aber nur 10,0% den neuen Schein. In der Öffentlichkeit waren jedoch dennoch nur 6,7% bereit den schmuddeligen (aber keimfreien) Schein auszugeben. 26,7% hingegen bezahlten weiterhin mit dem neuen Schein.

Die Ergebnisse im Überblick

Umgebung
Kontamination
Neue Banknoten
Alte Banknoten

privat
kontaminiert
5,7%
28,6%

öffentlich
kontaminiert
23,3%
3,3%

privat
sterlisiert
10,0%
23,3%

öffentlich
sterlisiert
26,7%
6,7%

Fazit: Stolz ist genau wie Ekel eine starke Emotion, die unser Handeln beinflußen kann. Wie wir gesehn haben möchten Menschen in der Öffentlichkeit mit frischen Banknoten bezahlen und erhoffen sich dadurch eine höhere soziale Anerkennung. In der Praxis ließen sich diese Erkenntnisse vielleicht nutzen, indem man vor einem Geschäft einen Geldautomaten aufstellt, der dann lediglich neue Banknoten in kleiner Stückelung auszahlt. So könnte man wahrscheinlich den Umsatz der Kunden erhöhen. Ein Umtausch von alten Scheinen in neue Scheine am Eingang klingt zunächst befremdlich, könnte sich aber lohnen. Als Anreiz für die Wechselaktion könnte ein kleiner Aufschlag bezahlt werden oder ein anderer Vorteil wie ein Gutschein angeboten werden.

via Forbes & Yahoo

Bildquelle: © Perry – Fotolia.com

Quellenangaben:

  1. http://www.jcr-admin.org/files/pressPDFs/100312163624_Noseworthy_Article.pdf
  2. Reilly 2009
  3. Mishra, Mishra, and Nayakankuppam 2006; Raghubir and Srivastava 2009
  4. Shafir, Diamond, and Tversky 1997
  5. Gamble et al. 2002; Raghubir and Srivastava 2002
  6. Abrams and Waterman 1972

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